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Donnerstag, 18. April 2002
als alten angeber

würde ich schmidt bzw. seine romanhauptfigur nicht bezeichnen wollen. angeber brauchen leser und zuhörer und ich bezweifle, daß schmidt beim schreiben mit einer großen leserzahl gerechnet hat. vor sich selber angeben ist langweilig, macht man auch nicht. man weiß ja schließlich, daß man erstens ganz und zweitens überhaupt nicht toll ist. das buch wirkt auf mich recht introvertiert. introvertiert in dem sinne, daß es nicht im hinblick auf baldige veröffentlichung geschrieben wurde. keine auftragsarbeit, kein knebelvertrag mit irgendeinem verlag, keinem lektor verpflichtet. geschrieben in dem wissen, nichts abliefern zu müssen und schon garkeinen bestseller. so wirkt es zumindest auf mich.

mir gefällt dieses egozentrierte vorsichhinschreiben schmidts (was nicht heißen soll, daß er unkonstruiert schreibt), unter mißachtung gängiger regeln. interpunktion, groß- und kleinschreibung, spannungsbogenaufbau, mal kurz fouqué zitieren, mal schnell barlach fertigmachen, die doofe lüneburger heide beschreiben, ein bißchen schweinisch sein, knöpfe beschreiben, lorelorelore, alles ganz wie es schmidt gefällt. es ist ganz und gar sein buch und ihm ist es egal, ob seine anspielungen, andeutungen und witze verstanden werden oder nicht. wer die nicht versteht, mag man meinen, ist eben auch nur einer der dumpfbackigen dorfbewohner und bestenfalls der dorfpfaffe. find ich aber nicht unsympathisch, recht interessant und auch als schreibstil überraschend aktuell.

trotzdem geht's mir aber auch wie roland: ich hab keine rechte lust, die hingestreuten rätsel ständig hinterfragen zu müssen, nachzuschlagen und auflösen zu wollen. wird dann aber auch von mir mit schmidtscher leichtigkeit und leckmich-haltung überlesen. das platt, oder was das auch immer für ein dialekt sein soll, geht mir auch auf die nerven. als kontrast zu seinen englischen, französischen, spanischen, italienischen einsprengseln vielleicht auch wieder ganz amüsant. kann mich nicht entscheiden.

das "setting" finde ich äußerst interessant: deutscher, nazikritischer soldat kehrt aus britischer kriegsgefangenschaft nach deutschland zurück. in ein ekliges kaff in der lüneburger heide, mit fiesen bewohnern. lebensumstände unter aller sau. fast alles ist unverändert, die alten nazis sind auch noch da. seit ewigkeiten keinen sex gehabt. ich habe mich schon immer gefragt, wie das gewesen sein muß, als zumindest soldatisch in das dritte reich involvierter deutscher wieder in sein runter- und verkommenes land zurückzukommen. den heroisch-traumatisierten blickwinkel der exilliteraten kennt man ja schon eher, den der gezwungenermaßen kriegsbeteiligten und durchgängig in deutschland anwesenden weniger. ok, böll vielleicht. oder aus vilsmaier-verfilmungen.

zwischenfazit (bin noch nicht ganz durch, mit dem buch): gefällt mir, macht mich aber bislang nicht direkt neugierig auf mehr schmidt. ungewöhnlich, gewöhnungsbedürftig, sexy. ich mag großmäuler und intellektuell daherkommende machos, zumindest fiktive, oder mal einen abend lang in der realität.

disclaimer: ich habe keine literaturwissenschaftliche ahnung von schmidt und von deutscher nachkriegsliteratur, und im augenblick auch keine große lust, mir eine solche mühsam anzueignen. was auch etwas darüber aussagt, wie das buch auf mich wirkt. man möge mir aus diesem grunde alle rausgelaberten unrichtigkeiten nachsehen.

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